Die Bundesregierung hat die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte für Bildung und Wissenschaft reformiert – Was bedeutet das? Von Daniel Sebastian, IPPC LAW Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
Die Politik arbeitet weiterhin an ihrem Ziel, das Urheberrecht an die Erfordernisse und Herausforderungen des digitalen Zeitalters anzupassen. Dabei gilt es, digitale Nutzungspraktiken stärker zu berücksichtigen und einen gerechten Ausgleich der Interessen von Urhebern, Verwertern, Intermediären und Nutzern zu erreichen.
Bildung, Wissen und Kultur besonders behandeln
Mit dem Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (UrhWissG) hat die Bundesregierung die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte für Bildung und Wissenschaft reformiert. Es wurde neu geregelt, welche urheberrechtlichen Nutzungen im Bereich Bildung und Wissenschaft gesetzlich erlaubt sind, ohne dass es einer Zustimmung der Urheber und sonstiger Rechteinhaber bedarf. Dies betrifft beispielsweise die Nutzung von Texten, Bildern und Filmen in Schulen, Universitäten und deren Bereitstellung durch Bibliotheken sowie das Text- und Data-Mining zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung.
Rechtlicher Rahmen des Urheberrechts
Das Urheberrecht ist heute in weiten Teilen von europäischen Vorgaben geprägt. Die verschiedenen europäischen Richtlinien zum Urheberrecht sind ein wichtiger Bestandteil der Strategie der Europäischen Kommission vom 6. Mai 2015 für einen digitalen Binnenmarkt. Aus Verbrauchersicht wurden hier wichtige Fortschritte erzielt. Beispielsweise gilt seit dem 20. März 2018 die sogenannte Portabilitäts-Verordnung unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten. Seither können Kunden bei vorübergehenden Aufenthalten in einem anderen Mitgliedstaat, z. B. während des Urlaubs, Online-Bezahlinhalte ihres Heimatstaates wie ihr Netflix- oder Spotify- Abonnement in gleicher Weise wie von zu Hause nutzen.
Behinderte Menschen schützen
Mit der Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie in deutsches Recht wurde der Zugang zu Literatur für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen verbessert. Blindenbibliotheken dürfen seit dem 1. Januar 2019 urheberrechtlich geschützte Inhalte in barrierefreie Formate umwandeln und diese den begünstigten Personen jetzt auch über das Internet (z. B. als E-Book oder Hörbuch) zur Verfügung stellen, ohne hierzu eine Erlaubnis des Urhebers zu benötigen (§§ 45b bis d des Urheberrechtsgesetzes).
Kreative, Künstler, usw. – Urheber werden besser geschützt
Bis zum 7. Juni 2021 in deutsches Recht umzusetzen ist die Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt, die die Regelungen des Urheberrechts weiter an den technischen Fortschritt im Zeitalter der Digitalisierung anpassen soll. Die Richtlinie enthält u. a. Bestimmungen, die das Text- und Data-Mining für Bildung und Wissenschaft erleichtern und für kommerzielle Zwecke ermöglichen und die grenzüberschreitende, digitale Lehre erleichtern. Durch eine Anpassung des Urhebervertragsrechts sollen die Rechte der Kreativen gestärkt werden, z. B. durch die Einführung einer Pflicht der Verwerter, Kreative regelmäßig über die mit ihren Werken erzielten Erlöse zu informieren, oder das Recht der Autoren, die Anpassung ihrer Vergütung in sogenannten „Bestseller“-Fällen zu verlangen. Außerdem soll der Schutz von Rechteinhabern verbessert werden, wenn eine Internet-Plattform wie YouTube mit hochgeladenen Inhalten Erlöse erzielt. Die Richtlinie stellt zudem klar, dass nutzergenerierte Inhalte – sogenannter „user generated content“ – in bestimmten Fällen gesetzlich erlaubt sind: So ist die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte auf Upload-Plattformen beispielsweise für Kritik und Rezensionen, Karikaturen, Parodien und Pastiches oder im Rahmen der Zitatschranke gestattet. Wenn es zum Streit darüber kommt, ob ein hochgeladener Inhalt unter diese Erlaubnis fällt, steht Nutzerinnen und Nutzern nach der Richtlinie zudem ein wirksames und zügiges Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren zur Verfügung. Insbesondere Artikel 17 (ursprünglich Artikel 13) der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt war und ist rechtspolitisch umstritten. Bei seiner Umsetzung wird der Protokollerklärung, die die Bundesregierung bei Verabschiedung der Richtlinie im Rat am 15. April 2019 abgegeben hat, eine wichtige Rolle zukommen. Die Erklärung betont, dass die Bundesregierung soweit wie möglich ohne das Instrument der „Upload Filter“ auskommen möchte. Die Zahl der Abmahnungen auf Grund von Urheberrechtsverletzungen sei seit Inkrafttreten des Schutzgesetzes 2013 gegen unseriöse Geschäftspraktiken deutlich zurückgegangen. Allerdings seien die geforderten Gesamt- und Vergleichssummen bei Urheberrechtsverletzungen trotz der Deckelung der Abmahnkosten für den Unterlassungsanspruch im Durchschnitt nicht zurückgegangen. Verantwortlich hierfür seien die parallele Geltendmachung des nicht gedeckelten Schadensersatzanspruches und die Tatsache, dass die Rechtsprechung im Wege der fiktiven Lizenzgebühr auch bei Sachverhalten wie Filesharing eher hohe Schadensersatzbeträge ansetze. Korrekte Verhalten und Rücksichtnahme auf die Interessen von Künstler und anderen Urhebern ist angezeigt. Das deutsche Recht hat sich hier bewährt.
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