Der Anwalt und sein Mandant: Ein Vertrauensverhältnis, bei Pflichtverletzung muss auch ein Anwalt haften – Beratung vom Anwalt bedeutet Risiko und Chancen für den Mandanten zutreffend zu erläutern.
Die Versicherung will nicht zahlen? Die Verkäuferfirma einer ungewollten Schrottimmobilie klagte den Kaufpreis ein? Die Investition in einen Anlagefonds stellt sich als großer Fehler heraus? Die Bank verlangt die Kreditzahlung aus einer Bürgschaft? All diese Fragen im Leben lassen sich oftmals nur noch durch die Einholung rechtlichen Rates bewältigen.
Sucht der Mandant in seiner Verzweiflung dann einen Rechtsanwalt auf, kommt es nach erster außergerichtlicher Auseinandersetzung nicht selten zur Klageerhebung und anschließendem Gerichtsverfahren. Doch lässt sich auch dort nicht immer das Wunschergebnis des Mandanten erzielen. Besteht die Gefahr, den Rechtsstreit zu verlieren und somit die Prozesskosten tragen zu müssen, kann es durchaus sinnvoll sein, sich durch einen rechtlichen Vergleich mit dem Klagegegner zu einigen.
Vergleichen oder Nichtvergleichen – das ist hier die Frage
Steht ein solches Vorgehen zur Debatte, sieht der Mandant sich vor der Beantwortung schwieriger Fragen: sollte ich auf den Vergleich eingehen und die Sache damit abschließen? Oder stehen die Erfolgschancen doch so gut, dass ich weiter prozessieren sollte? Was, wenn der Gegner bis in die letzte Instanz ausharrt, kann ich mir das leisten?
Hierbei hat der Anwalt Entscheidungshilfe zu leisten. Und zwar nicht anhand allgemeiner Risikoeinschätzungen, sondern präzise und genau. Dies gehört zu den Pflichten des entstandenen Geschäftsbesorgungsvertrages gem. § 675 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Welche Pflichten dabei im Einzelnen bestehen und wann eine Verletzung dieser zu einem Schadensersatzanspruch für den Mandanten führen kann, hat das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem am 16.05.2013 ergangenen Urteil, Az. 9 U 33/11, deutlich gemacht.
Risiken und Chancen müssen zutreffend erläutert werden
Das OLG Karlsruhe stellt fest, dass die Beratung des Mandanten vor dem möglichen Abschluss eines Vergleichs zu den wesentlichen Pflichten eines Rechtsanwalts gehört. Die Entscheidung des Mandanten ist für diesen meist mit erheblichen Konsequenzen – vor allem finanzieller Art – verbunden, sodass er eine umfassende Entscheidungsgrundlage benötigt.
So müssen Risiken und Chancen, die die Fortführung des Prozesses mit sich bringen, dem Mandanten konkret aufgezeigt werden. Dabei sind auch jegliche in einem Prozess entstehenden Kosten darzulegen, insbesondere wenn sich das Verfahren absehbar über mehrere Instanzen erstreckt. Natürlich kann eine sichere Prognose nicht immer erfolgen, gerade wenn es keine gefestigte Rechtsprechung zum Fall gibt. Dann gehört aber genau diese Aufklärung über die Unsicherheit eines Obsiegens im Prozess zur abverlangten Risikoeinschätzung.
Ohne Schaden jedoch kein Schadensersatzanspruch
Schließt der Mandant nach unzureichender Beratung dann einen Vergleich, genügt dies jedoch noch nicht für einen Anspruch gegenüber dem Rechtsanwalt. Vielmehr muss neben der Pflichtverletzung feststehen: 1. der Vergleich wäre bei korrekter Beratung nicht abgeschlossen worden, 2. der Prozess wäre stattdessen fortgeführt worden, 3. der Mandant hätte voraussichtlich obsiegt.
Dieser Maßstab erscheint auf den ersten Blick streng. Ruft man sich jedoch in Erinnerung, worum es vorliegend geht – nämlich den Anwalt in Haftung zu nehmen -, so scheint dies auch nur dann gerechtfertigt, wenn die Pflichtverletzung wirklich zu einem Nachteil geführt hat.
So erklärt Rechtsanwältin Helena Winker von der Kanzlei Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte: „Sieht man sich als Mandant einer Pflichtverletzung durch den eigenen Anwalt gegenüber ausgesetzt, ist das Grundvertrauen natürlich erschüttert. Trotzdem kann der Mandant nur dann Schadensersatz verlangen, wenn ihm auch wirklich durch das Verhalten des Anwalts ein Schaden entstanden ist. Steht also fest, dass der Mandant bei einwandfreier Beratung die gleiche Entscheidung getroffen hätte oder die Fortführung des Prozesses niemals von Erfolg gekrönt gewesen wäre, hat der Anwalt durch sein Verhalten keinen Schaden verursacht.“
Die Beweislast liegt beim (Ex-) Mandanten
Das OLG Karlsruhe hat auch klar gestellt, dass es Sache des Mandanten ist, dem Gericht zu beweisen, warum ihm gerade durch das anwaltliche Fehlverhalten ein Schaden entstanden ist.
Um zu verhindern, dass ein Anspruch an einer unzureichenden Darlegung durch den Mandanten scheitert, kann es daher durchaus sinnvoll sein – so grotesk es auch klingt – anwaltliche Hilfe gegen die einst erfolgte anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sonst sitzt der Mandant am Ende nicht nur mit einem unglücklichen Vergleich, sondern auch noch mit zusätzlichen Kosten durch den erfolglosen Rechtsstreit gegen seinen Anwalt da. Dies gilt es in jedem Falle zu verhindern.
V.i.S.d.P.:
Helena Winker
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