Welche Hilfen Betroffene und Angehörige in Anspruch nehmen können
Eine Behinderung beeinflusst die Lebensgestaltung nachhaltig. Das gilt besonders, wenn sie durch einen Unfall oder eine schwere Krankheit erst in späteren Jahren auftritt: 85 Prozent der hierzulande rund 7,3 Millionen schwerbehinderten Menschen haben ihr Handicap erst im Lauf ihres Lebens erworben. Betroffene und Angehörige stehen in einem solchen Fall von heute auf morgen vor großen Herausforderungen: Sie müssen ihr Leben neu gestalten und an die veränderten Gegebenheiten anpassen. Welche Hilfen sie dabei in Anspruch nehmen können, weiß Dr. Wolfgang Reuter, Gesundheitsexperte der DKV Deutsche Krankenversicherung – und gibt Tipps für Betroffene.
Schon der Alltag stellt viele schwerbehinderte Menschen und ihre Familien häufig
vor Probleme: Straßen, Busse und öffentliche Gebäude mit zu engen Türen oder zu hohen Kanten, die Suche nach einer rollstuhltauglichen Wohnung – und nicht zuletzt nach einem passenden Job. „Einige Möglichkeiten aber gibt es, die den Betroffenen die Überwindung der verschiedenen Hürden zumindest erleichtern“, weiß Gesundheitsexperte Dr. Wolfgang Reuter.
Schwerbehindertenschein vereinfacht vieles
Einen teilweisen Ausgleich für die Nachteile, die Menschen mit Handicap bewältigen müssen, verspricht der so genannte Schwerbehindertenschein oder -ausweis. Wer diesen vorlegen kann, bekommt oft nicht nur verbilligten Einlass in Freizeiteinrichtungen wie Museen, Schwimmbädern oder Kinos. Für Menschen mit erheblich eingeschränkter Bewegungsfähigkeit ist der Ausweis mit den entsprechenden Merkzeichen auch Voraussetzung für die verbilligte oder kostenlose Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Selbst eine Befreiung von der Kfz-Steuer sowie Hersteller-Rabatte beim Kauf bestimmter Neuwagen sind für die Inhaber des Ausweises mit entsprechenden Merkzeichen möglich. Andere Vergünstigungen, wie etwa steuerliche oder arbeitsrechtliche Vorteile, können schwerbehinderte Menschen auch ohne den Schein in Anspruch nehmen. Dennoch macht das Dokument im Arbeitsalltag, bei Behördengängen und im Umgang mit Sozialleistungsträgern vieles einfacher. Kein Freibrief ist der Schwerbehindertenausweis übrigens für die Nutzung von Behindertenparkplätzen: „Dazu ist bei eingetragenem Merkzeichen „aG“ zusätzlich ein blauer Parkausweis nötig, den die Verkehrsbehörden ausstellen“, betont Dr. Wolfgang Reuter.
Wer den Ausweis bekommt
Ob einem Betroffenen ein Schwerbehindertenausweis zusteht, hängt von der Schwere seiner Behinderung ab. „Er ist, wie der Name schon sagt, ausschließlich schwerbehinderten Menschen vorbehalten“, erklärt der Gesundheitsexperte und ergänzt: „Als solche gelten Betroffene, die mindestens einen Grad der Behinderung von 50 haben – übrigens können das auch Diabetiker oder Menschen mit überstandener Krebserkrankung sein.“ Fälschlicherweise nehmen viele an, dass diese Zahl den Grad der Behinderung in Prozent angibt. Tatsächlich aber bezeichnet sie nur den Wert auf einer Skala von 20 bis 100. Wer das nützliche Dokument bekommen will, sollte zudem einen Wohnsitz in Deutschland haben, hier arbeiten oder sich gewöhnlich hier aufhalten. Der Aufwand für den Antrag ist gering: In der Regel genügt ein ausgefülltes Formular, dem am besten gleich eine ärztliche Bescheinigung beiliegt. Beides reichen die Antragsteller beim zuständigen Versorgungs-, beziehungsweise Landesamt ein. Eine Liste der zuständigen Ämter ist im Internet unter www.versorgungsaemter.de zu finden. In aller Regel wird ein Schwerbehindertenausweis unbefristet ausgestellt und muss nicht verlängert werden.
Wiedereingliederung in Alltag und Job
Auch wenn er viele Dinge erleichtert: Ein Behindertenausweis räumt längst nicht alle Hürden aus dem Weg. Viele behinderte Menschen brauchen speziell angepasste Umgebungen, um ihre verlorene Selbstständigkeit wiederzugewinnen – und das sowohl im Alltag als auch im Job. „Einen großen Vorteil hat hier, wer frühzeitig vorgesorgt und eine private Unfallversicherung und eine Pflegeversicherung abgeschlossen hat. Deren Leistungen erleichtern im Fall der Fälle beträchtlich die Aufbringung der erforderlichen Mittel, etwa für den behindertengerechten Umbau der Wohnung“, so der DKV Experte. Im Berufsleben ist dagegen der Arbeitgeber in der Pflicht: Bestand vor einer erlittenen Schwerbehinderung ein Arbeitsverhältnis, müssen Betriebe in der Regel Maßnahmen zur Wiedereingliederung anbieten. Diese reichen von Hilfen zur Rehabilitation über ergonomische Veränderungen am Arbeitsplatz bis hin zur Verringerung der Arbeitszeit oder zur Versetzung auf eine andere, besser geeignete Stelle. Hierzu erhält der Arbeitgeber von verschiedenen Stellen finanzielle Unterstützung, wie etwa der Deutschen Rentenversicherung, den Arbeitsagenturen oder den Integrationsämtern. Außerdem gibt es in vielen Betrieben auch Vertrauenspersonen für schwerbehinderte Menschen, die ebenfalls helfen können. Der Gesundheitsexperte der DKV macht Betroffenen daher Mut: „Mit technischen Hilfsmitteln und Unterstützung, bis hin zu einer Arbeitsassistenz, ist in vielen Fällen eine Anpassung des Arbeitsplatzes an den behinderten Arbeitnehmer möglich.“ Zudem unterstützen staatliche Stellen die Rückkehr ins Berufsleben mit einer finanziellen Eingliederungshilfe. Diese schafft für Arbeitgeber zusätzliche Anreize für die Eingliederung von Menschen mit Handicap.
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