Versicherer: Immobilienkredite und realwirtschaftliche Anlagen werden attraktiver

Immer mehr Versicherer wollen in die Finanzierung von Gewerbeimmobilien einsteigen und in güterwirtschaftliche Anlagen wie Infrastruktur, erneuerbare Energien oder Rohstoffe investieren. Die BaFin ist den Hintergründen für diese Entwicklung in einer Analyse nachgegangen. Neben den Investitionsmotiven wurden die Chancen und Risiken dieser alternativen Anlageklassen näher unter die Lupe genommen.

Das zentrale Ergebnis der Studie: Massive Verschiebungen in der Struktur der Kapitalanlagen oder gar systemische Risiken sind nicht zu erwarten. Allerdings besteht vor allem bei kleineren Versicherern mit wenig Erfahrung in solchen neuen Geschäftsfeldern die Gefahr, dass das Risikomanagement nicht mit den wachsenden Aktivitäten Schritt hält.

Anreize für die Vergabe von Immobilienkrediten
Für Versicherer wird es zunehmend interessant, stärker als bisher als Kreditgeber bei der Finanzierung von Gewerbeimmobilien aktiv zu werden. Bislang spielen Finanzierungen von gewerblich genutzten Immobilien für deutsche Versicherer eine eher untergeordnete Rolle. Ende 2011 machten sie mit 5,8 Mrd. Euro nur 0,5 Prozent der gesamten Kapitalanlagen der Erstversicherer aus. In den vergangenen Jahren ist dieser Posten auf niedrigem Niveau sehr stabil geblieben. Zuletzt zeichnete sich auf Basis der Daten der Kapitalanlagestatistik trotz einzelner großvolumiger Finanzierungen noch kein signifikanter Anstieg ab.

Die Versicherer werden das vorhandene Marktpotenzial in Zukunft aber wohl intensiver ausschöpfen. So gibt es unter dem neuen europäischen Versicherungsaufsichtsregime Solvency II nach heutigem Stand vor allem im Standardansatz Anreize, Immobilienrisiken nicht vorrangig durch direkte Immobilieninvestments einzugehen, sondern durch die Bereitstellung von Fremdkapital bei Gewerbeimmobilientransaktionen. Hauptgrund ist der spürbar geringere Eigenkapitalbedarf.

Bei größeren Versicherern, die interne Modelle anwenden, wird dieser Unterschied im Eigenkapitalbedarf wohl weniger gravierend ausfallen. Aufgrund des hohen Marktanteils der großen Versicherer dürften sich die Verschiebungen in der Kapitalanlagestruktur der gesamten Versicherungsbranche im Immobilienbereich daher in Grenzen halten.

Auch wenn vor dem Hintergrund der noch geringen Bedeutung der Gewerbeimmobilienkredite kein systemisches Risiko für die Versicherungsbranche droht, könnten doch Probleme bei einzelnen Unternehmen auftreten. Kleine und mittelgroße Versicherer, die den Standardansatz wählen und dadurch eher zur Immobilienkreditvergabe tendieren werden, haben meist wenig Erfahrung auf diesem Geschäftsfeld. Diese müssen deshalb besonders darauf achten, dass sie über genügend Know-how verfügen und das Risikomanagement im Bereich der Immobilienfinanzierung jederzeit angemessen ist.

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Immobilienmarkt profitiert
Die zunehmenden Aktivitäten von Versicherern als Kreditgeber sind im derzeitigen Umfeld ein Segen für die Immobilienmärkte, die nach wie vor schwer unter den Folgen der Finanzkrise leiden. Banken als klassische Fremdkapitalgeber ziehen sich immer mehr aus diesem Geschäftsfeld zurück; sie sind bestrebt, den Risikogehalt in der Bilanz zu verringern. Grund hierfür sind vor allem die erheblich strengeren Vorgaben zur Eigenkapitalunterlegung, die Kreditinstitute gemäß dem internationalen Regelwerk Basel III bald erfüllen müssen, und die den eingeschlagenen Kurs des Deleveraging noch verstärken. Vor diesem Hintergrund wird es für Immobilieninvestoren immer schwieriger, Anschlussfinanzierungen zustande zu bringen. Aus deren Sicht entdecken Versicherer die Kreditvergabe zur rechten Zeit, weil die von den Banken gerissene Lücke so wenigstens teilweise geschlossen werden kann und sich die Gefahr ernsthafter Verwerfungen am Immobilienmarkt ein wenig verringert.

Versicherer konzentrieren sich bislang fast ausschließlich auf die Finanzierung von Core-Immobilien. Dabei handelt es sich um annähernd voll vermietete Spitzenobjekte in bester Lage mit guter Mieterstruktur und -bonität. In dieses enge, scheinbar risikoarme Marktsegment drängen derzeit aber viele Immobilieninvestoren, die als Reaktion auf die Finanzkrise vorsichtiger agieren und ihre Risiken abbauen wollen. Die gestiegene Nachfrage hat vielerorts bereits zu signifikanten, teils überzogenen Preisanstiegen bei erstklassigen Immobilien geführt, so dass inzwischen auch bei der Finanzierung solcher Objekte Rückschläge einkalkuliert werden müssen.

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Chancen und Risiken alternativer Vermögenswerte
Deutsche Versicherer investieren aber auch zunehmend in andere „realwirtschaftliche“ Assetklassen. Dazu gehören Anlagen in Infrastruktur (einschließlich erneuerbarer Energien) und Rohstoffe.

Da die Zinsen seit einigen Jahren auf einem extrem niedrigen Niveau verharren, befinden sich Versicherer derzeit in einem Anlagedilemma. Mit der bislang verbreiteten Fokussierung auf festverzinsliche Anleihen wird es vor allem für die Lebensversicherer immer schwieriger, die garantierte Verzinsung der langfristigen Verbindlichkeiten gegenüber ihren Kunden zu erwirtschaften. Sie haben daher einen Anreiz, auf alternative Assets auszuweichen, die mehr Rendite versprechen.

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Investitionen in Infrastruktur
Infrastrukturinvestitionen sind für Versicherer attraktiv, weil ihre Laufzeiten gut zu den langfristigen Verbindlichkeiten passen und in der Regel stabile Cash-Flows abwerfen. Risikoarme langfristige Anlageformen sind rar geworden, nachdem sich in der Staatsschuldenkrise gezeigt hat, dass selbst Anleihen hoch entwickelter Volkswirtschaften nicht mehr per se als praktisch risikolos angesehen werden können.

Unwägbarkeiten für langfristige Infrastrukturinvestments liegen insbesondere im politischen Bereich. So können zum Beispiel Anlagen in erneuerbare Energien durch den plötzlichen Wegfall staatlicher Subventionen schnell unrentabel werden. Doch auch der technische Fortschritt spielt eine Rolle: Bestehende Infrastrukturanlagen können bei einem Innovationsschub wirtschaftlich und technisch rasch überholt sein.

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Diversifizierung mit Rohstoffen
In Rohstoffe investieren Versicherungsunternehmen vorwiegend zur Abrundung und Diversifizierung des Portfolios. Viele Jahre lang waren Rohstoffe für Versicherer unter dem Aspekt einer ausgewogenen Risiko-Ertrags-Relation des gesamten Kapitalanlagebestandes interessant, da die Korrelation mit anderen Assetklassen gering war. In der Finanzkrise haben sich Rohstoffe allerdings ähnlich schwach entwickelt wie andere Anlageformen. Die Korrelation nahm deutlich zu, so dass die risikodämpfenden Effekte für das Portfolio weniger zu spüren waren.

Endliche Ressourcen sprechen aber auf lange Sicht, also abseits üblicher Konjunkturschwankungen, wegen der absehbaren Angebotsverknappung für einen Preisauftrieb bei Rohstoffen. Allerdings sind die Chancen auf mögliche Wertsteigerungen beschränkt, da Rohstoffe keine laufenden Erträge abwerfen.

Ähnlich wie bei der Immobilienkreditvergabe wird die BaFin die Entwicklungen im Kapitalanlageverhalten der Versicherer bei anderen realwirtschaftlichen Vermögenswerten aufmerksam beobachten, um Risiken frühzeitig zu erkennen. In diesem Zusammenhang wird die gesonderte Meldepflicht für Rohstoffanlagen, die zum 31. Dezember 2011 eingeführt wurde, für mehr Transparenz in diesem Bereich sorgen.

Quelle:BaFin