Verbrechensopfer bleiben häufig mit den psychischen Folgen allein
Die Tür wurde aufgebrochen, die Schränke wurden durchwühlt, die persönlichen „Schätze“ entwendet – in Deutschland werden jährlich im Schnitt rund 130.000 Einbrüche verzeichnet, Tendenz steigend. Dabei ist der Verlust von Bargeld und Wertsachen für die Betroffenen meist noch das geringere Übel: Ein Einbruch wird von den Opfern auch immer als gewaltsames Eindringen in die eigene Intimsphäre erlebt. Das ist oft mit weit reichenden und mitunter anhaltenden psychischen Folgen verbunden, weiß der Psychologe Benjamin Martens von psycheplus. Er erklärt die Hintergründe und gibt Tipps, wie Betroffene nach einer Straftat ihr seelisches Gleichgewicht wiederfinden können.
„My Home is my Castle“ – diese Redensart kommt nicht von ungefähr: Das eigene Zuhause ist unser Lebensmittelpunkt und Rückzugsgebiet. Der Ort, an dem nur wir das Sagen haben und an dem wir uns sicher fühlen. „Wird dieser persönliche Kokon massiv verletzt, reagieren wir darauf entsprechend heftig“, schildert der Psychologe Benjamin Martens. „Zunächst einmal fühlen wir uns macht- und wehrlos: Ein Einbruch macht dem Opfer schlagartig klar, dass ihm ein Stück weit die Kontrolle über seine Intimsphäre entzogen wurde.“ Außerdem untergräbt eine solche Erfahrung unsere sogenannte „gelernte Sorglosigkeit“ – ein Gefühl von Zuversicht, das uns relativ entspannt und sorgenfrei leben lässt, obwohl wir wissen, dass unsere Welt voller Risiken ist: Wo andere zur Zielscheibe eines Verbrechens werden, erwarten wir insgeheim, dass uns selbst so etwas nicht passiert. Durch den Einbruch wird die abstrakte Statistik für das Opfer nun schlagartig konkret – und die vermeintlich sichere Welt gerät plötzlich aus den Fugen.
Eine Mischung aus Wut und Angst
Viele Einbruchsopfer reagieren darauf zunächst mit Aggression – sie sind verständlicherweise wütend auf den Eindringling, der ihr Zuhause verwüstet und ihnen damit ein Stück weit den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Gleichzeitig wachsen Unsicherheit und Angst: Warum hat es ausgerechnet uns getroffen, wo doch die Nachbarn wirtschaftlich deutlich besser gestellt sind? Wie können wir uns hier in Zukunft noch sicher fühlen, wo selbst Sicherheitsschloss und Bewegungsmelder den Einbrecher nicht stoppen konnten? „Die Erfahrung eines Einbruchs kann beim Betroffenen anhaltende Grundängste auslösen“, erklärt der psycheplus Experte. „Er findet keine überzeugenden Antworten auf seine Fragen, weil es für eine willkürlich verübte Tat keine rationale Erklärung gibt. Das verstärkt oft das Gefühl, das eigene Leben nicht mehr unter Kontrolle zu haben.“
Schuld nicht bei sich suchen
Diese heftige Gefühlslage wird gerade in der ersten Zeit nach dem Einbruch durch erhebliche Stressfaktoren noch verstärkt: Die verwüstete Wohnung will wieder in Ordnung gebracht, die Verluste müssen erfasst und gemeldet werden. Wurden Kameras oder Computer entwendet, kommt zum materiellen auch noch der ideelle Verlust: Wertvolle Erinnerungen und vielleicht sogar vertrauliche Inhalte sind verschwunden, und geklaute Daten ermöglichen den Tätern womöglich weiter gehende Übergriffe auf die persönliche Privatsphäre. „Viele Einbruchsopfer fangen spätestens an diesem Punkt an, sich selbst Vorwürfe zu machen – etwa: Warum habe ich die Münzsammlung nicht im Bankschließfach aufbewahrt? Warum habe ich die Kontoauszüge nicht längst vom Rechner gelöscht? Gegen solche Gedanken sollte man sich aktiv wehren, sie erschweren die Bewältigung des Erlebten nur zusätzlich!“, rät der Psychologe Benjamin Martens.
Schritt für Schritt verarbeiten
Stattdessen rät der psycheplus Experte Betroffenen vor allem, sich Zeit für die Verarbeitung der Erfahrung zu geben. „Hier helfen Gespräche, etwa mit Experten der Polizei oder einem spezialisierten Psychotherapeuten. Ziel sollte sein, das Ereignis objektiv einzuordnen und sich nicht in die entstandenen Ängste hineinzusteigern“, rät der Psychologe. „Wer etwa erkennt, dass die Chance, ein zweites Mal Opfer eines Einbruchs zu werden, weitaus geringer ist als beim ersten Mal, kann meist schon besser mit Gefühlen der Unsicherheit und Bedrohung umgehen.“
Darüber hinaus helfen gezielte Maßnahmen, wie die Anbringung eines zusätzlichen Schlosses oder von Jalousien vor den Fenstern, um anhaltende Ängste zu überwinden. Professionelle Sicherheitsexperten finden auch bei schwierigen baulichen Verhältnissen oder besonderen Ansprüchen eine überzeugende – und somit die Betroffenen zusätzlich beruhigende – Lösung. Was Betroffene darüber hinaus noch tun können, um das Erlebte schneller zu verarbeiten, ist individuell sehr verschieden. „Eine allgemeingültige Strategie gibt es hier leider nicht, das hängt jeweils vom Einzelfall ab“, so der Psychologe Benjamin Martens. Hilfreich ist aber auf jeden Fall der Faktor Zeit: „Sie heilt tatsächlich viele Wunden, auch nach einer solchen Erfahrung. In der Regel stellt sich nach einiger Zeit sogar die „gelernte Sorglosigkeit“ wieder ein, das heißt: Der Betroffene gewinnt die Zuversicht zurück, dass er von den allgegenwärtigen Risiken seiner Umwelt verschont bleibt.“
Vier Tipps des Psychologen: Was man nach einem Einbruch vermeiden sollte
– Wer nach einem Einbruch eine chaotische Wohnung vorfindet, ist schnell versucht, unüberlegt oder hektisch die Spuren des Eindringlings zu beseitigen. Das aber erschwert oder verhindert gar die Aufklärung des Verbrechens. Deshalb: Nichts anfassen, Polizei rufen, sich nach deren Eintreffen in Ruhe einen Überblick über den Schadensumfang machen.
– Ist der erste Schreck verdaut, beginnt oft das Grübeln – Betroffene sollten in dieser Phase der Verarbeitung besser nicht alleine bleiben. Gespräche, etwa mit Experten der Polizei oder spezialisierten Psychotherapeuten, helfen, das Erlebte besser zu verarbeiten. Auch Angehörige oder enge Freunde können in diesem Fall eine große Hilfe sein.
– Als Betroffener sollte man keinesfalls sich selbst die Schuld geben – der Einbruch ist das Werk des Täters, und auch wenn es schwerfällt, sich die eigene Machtlosigkeit einzugestehen: Das Opfer trägt für die Tat keine Verantwortung.
– Ein Einbruch ist ein einschneidendes Erlebnis. Dennoch sollte das Opfer ihm nicht mehr Raum geben als zu seiner Verarbeitung notwendig ist. Wer nach der schlimmen Erfahrung seine Lebensgewohnheiten verändert oder ganz aufgibt (z.B. nicht mehr Bus fährt, abends das Haus nicht mehr verlässt, etc.), macht sich auch über die Tat hinaus zum Opfer seiner schlimmen Erfahrung.
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