Ein eMTB, ist das nicht nur für unsportliche Sofa-Sportler? Braucht ein leidenschaftlicher Mountainbiker überhaupt einen E-Motor am Bike? Gerolf Meyer, Volontär beim pressedienst-fahrrad, unternahm auf Einladung von Flyer einen Selbstversuch. Hier seine Reportage.
„Ihr werdet alle mit einem breiten Grinsen zurückkommen,“ strahlt Kurt Schär ins Publikum. Der Gründer der Firma Biketec, die mit ihrer Marke Flyer seit 1995 dem Pedelec eine Bresche schlägt, hat in die Toskana geladen. 50 Händler und Journalisten, die in der Nacht zuvor über verschneite Alpenpässe angereist sind, sitzen auf der Terrasse eines Landhauses und müssen sich gerade an die frühlingshaften Temperaturen gewöhnen.
Es ist Anfang März, die Sonne scheint, und Biketec hat etwas vorzuzeigen. Ein neues Rad wird vorgestellt, in Theorie und Praxis. „Die Zielgruppe für dieses Fahrrad ist ganz einfach definiert: Es sind Menschen wie ich.“ Kurt Schär strahlt immer noch und gibt unumwunden zu, kein Mountainbiker zu sein. Oder besser: Bisher keiner gewesen zu sein. Denn nun hat Flyer das Modell „X-29er“ auf den Markt gebracht, ein voll gefedertes, elektrisch unterstütztes Mountainbike, und nun fährt auch Kurt Schär ins Gelände. Der X-29er sei das Rad für alle, die gern mountainbiken würden, aber in Sachen Technik und Kondition hinter ihren eigenen Ansprüchen herführen. Es sei das Rad für jene, die mitten im Beruf stehen und sich die sportliche Freizeit in einem dicht gefüllten Terminplan erkämpfen müssen. „Die eingefleischten Mountainbiker wollen wir mit diesem Rad gar nicht überzeugen. Aber all jene Genussbiker, die Lust auf komfortables Radfahren abseits des Asphalts haben, nicht aus der Puste auf dem Berg ankommen wollen und Spaß an der anschließenden Talfahrt haben. Denn mit dem X-29er kann man den inneren Schweinehund per Knopfdruck überwinden und seine eigenen Grenzen verschieben“, so die Ansage Schärs. Was dabei helfen soll: Federung an Front und Heck sowie die großen Twentyniner-Laufräder, die mehr Traktion, Komfort und Sicherheit versprechen. Wir werden es in den nächsten zwei Tagen ausprobieren.
Mit nur wenigen Trainingskilometern in den Beinen ist am nächsten Tag eine Entscheidung zu treffen: Drei Gruppen fahren auf X-29ern ans Meer: Die geübten Mountainbiker sollen die lange Trailrunde mit 85 km wählen, eine zweite Route führt über moderate Forstwege und das gemütliche Peloton wird direkt und mit wenigen Höhenmetern zum Meer fahren. Im März ist das Kilometerpolster noch dünn, aber die Aussicht auf lange Trails lässt mich in die anspruchsvollste Gruppe springen. Hier trifft man auf Skepsis: Der X-29er sieht ungewohnt aus, von den hier Mitfahrenden haben die meisten ein oder mehrere hochgezüchtete Fullys im Keller stehen. Auch versucht man, das eigene Mountainbike möglichst leicht auszustatten, am neuen Flyer sind Akku und Motor ein deutlicher Gewichtsaufschlag. Auch hat das Rad einen selbst für 29er langen Radstand. Und dann sind da noch die Gefühle: Mancher Bikesportler fühlt sich in seinem angestammten Revier bedroht, man ist sich gegenüber den starken Stromern etwas unsicher. Aber Schär hatte ja allen ein Grinsen versprochen.
Die 50 Flyer X-29er, die am nächsten Morgen aufgereiht auf neugierige Fahrer warten, sind jene der sogenannten „offenen Klasse“. Ein 350 Watt starker Panasonic-Mittelmotor, der bis 45 km/h Unterstützung bietet und richtig Power hat. Der Grad der Unterstützung ist dabei in drei Stufen einstellbar: 100, 173 oder gar 266 Prozent im „High“-Modus schlägt die Antriebselektronik auf die vom Fahrer aufgebrachte Muskelkraft auf. Entsprechend der Nutzung dieser „Zündstufen“ und abhängig von Gelände und gefahrener Geschwindigkeit fällt die Reichweite einer Akkuladung aus. In der Morgensonne werden die Velos angepasst, sie sind mit frischen Akkus versorgt. Pedale werden gewechselt, der Luftdruck in Reifen, Dämpfer und Federgabel auf den Fahrer abgestimmt und Trinkflaschen gefüllt. Dann setzt sich unser Tross mit 15 Fahrern in Bewegung.
Der erste Aha-Effekt setzt zügig ein. Schließlich ist man gerade als Vielfahrer verlässlich auf den Zusammenhang von Relief und Tretkraft programmiert. Geht’s bergan, muss Kraft ins System und wer es übertreibt, dem brennen die Muskeln. Nicht so in der Toskana. Denn die ersten Höhenmeter – noch auf Asphalt – klettern wir nur leicht pedalierend mit 20 km/h. Auch die Jacken, die sonst in solchen Situationen routiniert abgestreift werden, behalten wir noch an, während sich um uns ein beeindruckendes Panorama entfaltet. Eine für die Jahreszeit unerhört helle Sonne bestrahlt die Hügellandschaft mit ihren Weingütern, den geduckten Wäldchen, an Hänge gebauten Dörfern und den so typischen Säulen-Zypressen. Die Morgenluft bleibt trotzdem noch kühl. Am Einstieg in den Trail, der steil über Wurzeln und Gestein von der Straße abzweigt, stelle ich die maximale Motorunterstützung ein, trete an und greife instinktiv an den Bremshebel. Die gewohnte Kalibrierung aus Beinspannung beim Antritt und Wirkung auf dem Trail entgleitet in einen völlig unerwarteten Galopp. Das versprochene Grinsen ist da, eine Steilstufe ist im Eiltempo genommen und statt maximaler Muskelkraft ist hohe Konzentration gefragt: Mit so viel Schub klettere ich sonst selten. Die Unterstützung fahre ich auf der Kuppe zurück, der ausgewaschene Forstweg vor uns wird in zügigem Tempo genommen. Auch die eingefleischten Mountainbiker, die von ihren Chefs hierher beordert wurden, sind vernehmbar gut gelaunt. Der Pedelec-Effekt setzt ein, gerade geübten Fahrern ist seit jeher eingeschrieben: Geschwindigkeit heißt Leistung, und im Gelände macht die Kurvenhatz gleich doppelt Spaß. So ziehen die Kilometer dahin, der Blick öffnet sich noch weiter für die Landschaft, trotz hohem Tempo fährt keiner im Wahrnehmungstunnel. Auf kurvigen Trailabschnitten zeigt der X-29er seine Grenzen: Die gewohnte Wendigkeit klassischer Mountainbikes bietet das Rad nicht, kein Wunder bei solch langem Radstand. Und auch die typischen Manöver, ein kurzer „Bunny Hop“ über Hindernisse etwa, wollen mit dem zusätzlichen Gewicht von Motor und Akku nicht gelingen. Umso wichtiger wird die Vollfederung, die hier wirklich gefordert wird und sich bewährt. Mit steigender Sonne sinkt die Akkuanzeige, die Kilometer saugen an den Zellen. Die vielen, durchaus provozierten harten Antritte fordern ihren Tribut.
Doch schon ist das Mittelmeer in Sicht und wir wissen: Dort steht der Zellentausch an. Wir erreichen die Verpflegungsstation für Ross und Reiter abermals über einen gewundenen Trail und treffen planmäßig auf die beiden anderen Gruppen. Hier zeigt sich: Tempo und Beschleunigung kosten Reichweite, manch einer der Genießer könnte ohne Akkutausch zurück rollen. Doch sicherheitshalber werden alle einer Frischzellenkur unterzogen, nachdem Pasta und Kaffee den Körper gestärkt haben.
Der Rückweg verläuft nicht überall auf gleicher Strecke, eine Straßenpassage offenbart ein weiteres Pedelec-Phänomen: Mit höchster Unterstützungsstufe soll es so schnell wie möglich wieder ins Gelände gehen, eine Spitzengruppe setzt sich ab und surrt – diesmal durchaus schwitzend – dahin. Der gemeine Effekt: Bei 45 Sachen setzt der Schub aus, die Tempobolzer überschreiten mit Kraft wieder und wieder diese Geschwindigkeit. Da zeigt sich dann, wer wirklich gute Beine hat, ich falle langsam aber sicher mit ein paar Mitfahrern zurück und balanciere etwas weniger routiniert an der Unterstützungsgrenze. Am Traileinstieg wird gewartet, die Geschwindigkeit rausgenommen. Denn, und diese Lektion wird hier deutlicher denn je, mit dem Pedelec fährt man nicht stets knapp am eigenen Leistungslimit. Nein, man fährt so schnell, wie sich das Rad kontrollieren lässt. Letztlich ein Prinzip, das für die meisten Fahrzeuge gilt, beim Fahrrad wegen der limitierten Leistung des „humanoiden“ Motors bisher aber nur bei Sportlern und auf Abfahrten Geltung hatte. Schließlich fährt man auch einen Porsche in der 30er-Zone nicht mit Höchstgeschwindigkeit.
Als wir den Ausgangspunkt unserer Tour erreichen, herrscht in der Gruppe auffallend gute Laune. Am Anfang der Saison über 80 km im Gelände zurückgelegt zu haben und trotzdem nicht erschöpft zu sein: Dafür drücken auch gestandene Mountainbiker mal ein Auge zu und lassen sich per Motor helfen. Zuhause werden sie wieder auf ihre klassischen Bikes steigen und bereits am ersten Anstieg mächtig schwitzen. Das hier heute hat trotzdem Spaß gemacht.
Die nachhaltigste Wirkung aber hat die Tour mit dem Gelände-Pedelec wohl in den anderen beiden Gruppen hinterlassen. Denn es ist das eingetreten, was Kurt Schär prophezeit hatte: Wer sich bisher nicht ins Gelände traute, dem greift der X-29er unter die Arme. Die Freude über diesen neuen Erlebnishorizont ist einigen Teilnehmern deutlich anzusehen.
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