Wenn uns ein Angebot nicht passt, dann kaufen wir halt da, wo es uns passt

Ein Interview mit Prof. Dr. Michael Bernecker, Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Marketing.

Wenn uns ein Angebot nicht passt, dann kaufen wir halt da, wo es uns passt

Prof. Dr. Michael Bernecker

„Wer im Marketing arbeitet, sollte mit vollem Herz und klarem Kopf dabei sein.“ Der, der solche und ähnliche plakativen Formulierungen findet, ist Prof. Dr. Michael Bernecker. Aber was heißt das konkret? Und: Wie denkt Michael Bernecker über aktuelle Megatrends und zeitlose Klassiker im Marketing? Sicher ist nur: Marketing ist gerade in schwierigen Zeiten keine Zeit- und Geldverschwendung.
Herr Prof. Bernecker, stellen Sie sich und Ihr berufliches Tun doch bitte den Lesern vor.

Prof. Bernecker: Ich bin Geschäftsführer des DIM in Köln. Das Deutsche Institut für Marketing (DIM) ist in den Geschäftsfeldern Marktforschung, Marketingberatung und Marketingtrainings ein Dienstleistungsunternehmen, welches seine Kunden bei marktorientierten Fragestellungen unterstützt.

Wir sind Marketing!

Klaus Wenderoth: Lassen Sie uns einen kurzen Blick zurückwerfen. Genauer auf den „Marketing Webtalk“ vom 19.06.2012. Was würden Sie als Quintessenz des Gespräches mit Herrn Haider festhalten?

Prof. Bernecker: Im Webtalk mit Siegfried Haider haben wir versucht, die Möglichkeiten des Marketings insbesondere für kleinere Dienstleister aufzuzeigen. Zusammenfassend kann man sicherlich sagen, dass wir aufgrund unserer Erfahrungen zu sehr ähnlichen Konsequenzen gekommen sind.

Im Mittelpunkt eines jeden Marketingkonzeptes steht die individuelle Leistung des Unternehmers und des Unternehmens. Ohne eine gute Vermarktungsstrategie kann diese Leistung aber heutzutage nicht mehr existieren. Wenn hier nachlässig gearbeitet wird, dann rächt sich dieses.

Klaus Wenderoth: Marketing heute bedeutet auch, auf vielfältige Möglichkeiten zugreifen zu können. Wie behält man überhaupt noch den Überblick und was ist wirklich wichtig und richtig?

Prof. Bernecker: Facebook, Twitter, Pinterest und Co. Nahezu jeden Monat werden neue Marketingplattformen gehypt und platziert. Da ist es sicherlich schwierig, immer auf dem Laufenden zu bleiben.

Aus diesem Grund rate ich immer, sich sehr genau über die eigene Positionierung Gedanken zu machen. Wofür stehen wir? Welche Kundenprobleme lösen wir? Und wer sind unsere Kunden? Wenn Sie diese Fragen geklärt haben, dann können Sie auch individuell klären, was wichtig und was richtig ist.

Daher habe ich zum Beispiel in unserem aktuellen Buch zum Social Media Marketing auch keine Plattformen vorgestellt, sondern typische marktorientierte Unternehmensfragestellungen in den Vordergrund gestellt und gezeigt, wie sich die Sozialen Medien für diese Dinge nutzen lassen. Ich denke, dass dies der erfolgversprechendere Weg ist, als sich permanent mit Marketinghypes an sich auseinanderzusetzen.

Klaus Wenderoth: Die Macht des Marketings in schwierigen Zeiten. Gibt es die überhaupt?

Prof. Bernecker: Ja klar. In einfachen Zeiten galt noch die Regel: Du musst nur ein gutes Produkt haben, der Rest kommt von alleine. In schwierigen Zeiten reicht dies einfach nicht mehr. Mehr Marketing bringt mehr Erfolg.

Gerade wirtschaftlich schwierige Zeiten bieten große Chancen, um das eigene Unternehmen neu zu erfinden und noch erfolgreicher zu werden. Ein Großteil unserer Arbeit besteht darin, Unternehmen neue Impulse zu liefern, damit die schwierigen Zeiten nicht mehr schwierig sind.

Einer unserer Kunden hat mal den Satz geprägt: Ein Euro Marketingbudget in schwierigen Zeiten ist zwei Euro wert!

Klaus Wenderoth: Social Media Marketing. Zu Recht ein Megatrend? Wie denken Sie darüber?

Prof. Bernecker: Ja, eindeutig. Social Media Marketing zwingt Unternehmen dazu, mehr über Kunden nachzudenken. Man kann sich nicht mehr hinter dem Schreibtisch verstecken. Die Kommunikation in Sozialen Medien ist nicht mehr kontrollierbar und konkret steuerbar.

Dadurch tauschen sich Kunden wesentlich individueller aus. Das Soziale Web führt zu einer Demokratisierung der Marktkommunikation. Die Leistungen eines Unternehmens sind wesentlich transparenter geworden und dadurch entsteht ein ganz anderer Druck auf die Professionalität eines Unternehmens.

Auch wenn ein Unternehmen der Meinung ist, dass es die Sozialen Medien für das eigene Marketing nicht benötigt, so sollte es jedoch zumindest beobachten, ob in den diversen Kanälen über die eigenen Marken, Technologien, Kunden oder Wettbewerber kommuniziert wird.

Klaus Wenderoth: Und die Marketingklassiker? „Old fashioned“ oder durchaus auch noch interessant?

Prof. Bernecker: Einige amerikanische Marketingkollegen sind sogar der Meinung, dass der Hype um Social Media Marketing völlig übertrieben ist, man die Social Media Kanäle dort wo es notwendig ist in die normale Kommunikation mit integrieren sollte und wie gehabt professionelles Marketing betreiben sollte.

Daher, Klassiker leben länger: Gute Leistungen, gut kommuniziert über die richtigen Vertriebskanäle sorgen auch heute noch dafür, dass man einen akzeptablen Preis realisieren kann.

Klaus Wenderoth: Mit Marketing lässt sich eine Menge Geld verdienen. Klar, dass da viele selbsternannte Experten ihre Dienste anbieten. Wie trennt man da sicher die „Spreu vom Weizen“? Ihr Tipp bitte.

Prof. Bernecker: Sehr schwierig. Viele sogenannte Experten sind selbsternannte Experten. Ich setze klassisch immer noch auf die gleichen Auswahlkriterien wie bei allen anderen Leistungen auch:

1. Gute Ausbildung

2. Referenzen

3. Konkretes Angebot

D.h., hat der Anbieter die relevanten Ausbildungen und Zertifikate, kann der Anbieter überprüfbare Referenzprojekte vorlegen und passt das Angebot und ist es nachvollziehbar? Aber Achtung! Machen Sie nicht den Fehler zu glauben, dass Sie alles können und verstehen müssen. Dies ist nicht Ihr Job. Machen Sie Ihr Geschäft und lassen Sie sich von Ihrem Dienstleister Mehrwerte schaffen.

Wie er dies macht, sollte man zwar vom Prinzip her Wissen, aber nicht in allen Details, denn dann könnten Sie den Job auch selber machen. Sie gehen auch nicht zu einem Automobilhersteller und lassen sich zeigen, wie ein

Katalysator eingebaut wird. Hauptsache das Ding funktioniert.

Klaus Wenderoth: Erfolge und Geschäftsmodelle: Beispiel Druckindustrie. Fast wöchentlich muss eine Druckerei in Deutschland schließen. Einige Onlinedruckereien aber können sich sogar TV-Werbung leisten. Was haben diese Unternehmen richtig gemacht?

Prof. Bernecker: Man kann es einfach auf den Punkt bringen: Sie haben sich der Herausforderung gestellt. Die meisten Druckereien haben das Internet immer nur als Feindbild gesehen und wollten sich damit nicht auseinandersetzen. Dass das Internet als Kommunikations- und Vertriebsplattform zu verstehen ist, haben sich viele nicht eingestanden.

Wenn ich solche strukturellen Veränderungen einer Branche nicht für mich aufnehme, dann wird mein Geschäft schwierig. Zudem sollte man den Markt mal realistisch einschätzen. Der Veränderungsdruck auf nahezu alle Branchen ist in den letzten zehn Jahren sehr groß geworden.

Warum sind Unternehmen wie Schlecker, Neckermann, Opel, Karstadt und Co. in die Krise geraten? Weil sich die Rahmenfaktoren und die Spielregeln in diesen Märkten stark verändert haben und andere, neue Player diese Spielregeln besser beherrschen bzw. besser nutzen. Wir Kunden sind da ganz einfach gestrickt.

Wenn uns ein Angebot nicht passt, dann kaufen wir halt da, wo es uns passt. Es reicht nicht aus, gut drucken zu können. Man muss noch besser verkaufen können.

Klaus Wenderoth: Wie, warum und wann kaufen Menschen?

Prof. Bernecker: Eine sehr schöne Frage. Es gibt ja den netten Satz „Menschen kaufen Dinge, die sie nicht benötigen, mit Geld, welches sie nicht haben, um Menschen zu beeindrucken, die sie nicht mögen“. Wenn man dies aber ernsthaft betrachtet, ist das genau die Frage, die sich jedes Unternehmen stellen muss.

Man kann die Frage nicht wirklich pauschal beantworten, da man ansonsten zu abstrakte Lösungen hat, die nicht wirklich passen. Wir machen mit unseren Kunden regelmäßig Kundenkonferenzen, auf denen dies mit typischen Stammkunden des Unternehmens diskutiert wird. Die Ergebnisse sind für viele erhellend.

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