Die Führungskraft als Gesundheitsmanager – geht das?

Vor 5 Jahren noch kaum ein Thema, beschäftigt es heute – zwangsläufig – fast alle Führungskräfte und Personalverantwortlichen in Unternehmen, Verbänden und Verwaltungen: Burnout.

Nach einer Studie führender Krankenkassen leiden derzeit in Deutschland rund 4 Millionen Menschen an Burnout bzw. Depression, also immerhin 5% der Gesamtbevölkerung. Burnout ist – auch aufgrund von Personen, die sich öffentlich zu dieser Krankheit bekannt haben – kein Tabu-Thema mehr. Berücksichtigt man gleichzeitig die demographisch schrumpfende Zahl an jungen Arbeitskräften, wird die Gesunderhaltung der Mitarbeiter ein Thema, das für Unternehmen immer wichtiger wird.

Die internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10/2012) versteht unter Burnout einen Zustand der totalen Erschöpfung und ordnet es unter „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ ein. Für viele Personalverantwortliche und Führungskräfte stellt sich somit die Frage, ob sie sich nun auch mit den privaten Lebensbewältigungsthemen der Mitarbeiter auseinandersetzen sollen. Die Antwort ist ein klares „Ja!“.

Doch was sind die Ursachen von Burnout?

Burnout entsteht nicht aus dem Nichts, sondern entwickelt sich schleichend, wenn eine Person unter chronischem Stress steht. Burnout ist ein Prozess, der – wenn nicht gegengesteuert wird – in der Regel mehrere Stadien durchläuft. So steht am Anfang oft der Zwang, sich zu beweisen, perfekt zu sein oder die Erwartungen anderer zu erfüllen. Die Vernachlässigung eigener Bedürfnisse und die Verdrängung von Konflikten führen zum Rückzug und zur inneren Leere und schließlich zu Depression bzw. Burnout.

Verantwortung der Führungskraft: Gesundheitsorientiert führen

Führungskräfte können durch ein gesundheitsbewusstes Vorbildverhalten auf die Mitarbeiter Einfluss nehmen. Der entscheidende Wirkungszusammenhang zwischen Führung und Mitarbeitergesundheit ergibt sich jedoch auf der Fähigkeit des Vorgesetzten partnerschaftlich und motivierend zu führen.

Eine Studie von Dr. Netta aus dem Jahre 2009 hat diese Wirkungszusammenhänge untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass schlechte Mitarbeiterführung und arbeitsmäßige Überlastung eine negative Auswirkung auf die Gesundheitsbeeinträchtigung der Mitarbeiter haben.

Das Vorbild Führungskraft in eigener Balance

Um gesundheitsorientiert führen zu können, muss ich mich als Führungskraft zunächst einmal mit meiner eigenen Balance im Leben beschäftigen.
Ich muss reflektierten, wie ich mich selbst in Stress versetze und in solchen Situationen reagiere. Dann kann ich mich damit auseinandersetzen, welche Wege und Methoden ich kenne, um immer wieder – auch bei hohem Stress – in die Balance zurückzugelangen.
Dies hängt zunächst von der eigenen, individuellen Persönlichkeitsstruktur ab:
Was treibt mich permanent an? Was bringt mich in Motivation und was in „Übermotivation“, die mich in die dauerhafte Erschöpfung treiben kann?

Hinter solchen Motivationen stecken Bedürfnisse, die individuell verschieden sind. Klassisch ist etwa das Bedürfnis nach Status und Macht, nach Unabhängigkeit oder nach Anerkennung für erbrachte Leistungen. Aber auch der Stellenwert der Familie, die Bedeutung körperlicher Aktivität, das Maß an Ordnung und Struktur können Bedürfnisse sein, die einen Menschen antreiben. Beispielsweise wird eine perfektionistische Person, die ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung hat, einen sehr hohen Einsatz bringen, um ihr Ziel zu erreichen. Wird dieser Einsatz zum Dauerzustand, dann sind Stress und auch Burnout vorprogrammiert!

Die eigene Balance: Die vier Lebensbereiche

Ob unser Leben im Lot ist, hängt aber in der Regel nicht nur vom Lebensbereich „Berufliches Leben“ allein ab. Hier sind wir uns über Ursachen und Wirkzusammenhänge klarer, verfolgen für uns klare Ziele. Die Schieflage entsteht häufig, weil wir die anderen Lebensbereiche „Körper/Gesundheit“, „Soziales Leben“ und die „Sinnfrage“ in unserem Leben im High-Speed-Tempo vergessen und vernachlässigen.
Die 4 Lebensbereiche stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern in einer Wechselbeziehung, in einem Vierklang. Erfülltes Leben heißt, dass ich bestenfalls in jedem dieser Bereiche eine gewisse Erfüllung habe oder mir ein Ausgleich gelingt, der mich vor dauernd chronischem Stress schützt. Im Bemühen um diese Balance meines Lebens sollte die Führungskraft Vorbild für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein.

Fähigkeit partnerschaftlich und motivierend zu führen

Es ist für das Unternehmen ökonomisch und sozial sinnvoll, wenn Führungskräfte den Anstoß geben, dass die Mitarbeiter einen Ausgleich für die Belastung im beruflichen Leben finden. Damit ist klar, dass sich die Führungskraft nicht nur für die Arbeitskraft, sondern für den Mitarbeiter als Ganzes interessieren sollte. Denn in diesem Kontakt kann eine Führungskraft leichter sagen: „Herr Müller, wann sind Sie denn das letzte Mal zum Lauftreff gegangen? Sie arbeiten in letzter Zeit immer so lange und vernachlässigen da doch ihr Hobby, oder?“

Einige Führungskräfte scheinen nur sehr wenig über die privaten Hintergründe der Mitarbeiter (Familienverhältnisse, Hobbies etc.) zu kennen. Dabei können Führungskräfte, die sich auf natürliche Weise für die privaten Hintergründe und Interessen der Mitarbeiter interessieren, in der Burnout-Früherkennung viel schneller einlenken.

Kennt eine Führungskraft die Mitarbeiter und deren Motivation sehr gut hat sie mehr Handlungspotenzial. Weiß z.B. die Führungskraft, dass ein Mitarbeiter ein hohes Ordnungsmotiv hat und gleichzeitig gewohnt ist, perfekte Arbeit abzuliefern, dann kann er voraussehen, dass dieser Mitarbeiter, an seine Grenzen stößt, wenn er plötzlich zwei große Projekte gleichzeitig leiten muss. Diese Arbeitssituation bringt diesen Mitarbeiter in Nichtpassung, weil er befürchtet, sein Ordnungsmotiv nicht mehr leben zu können.

Im sogenannten Passungsgespräch sollte genau dieser innere Konflikt der Nichtpassung angesprochen werden. Dann können auch mögliche Änderungsschritte anvisiert werden. Dabei sind viele Ergebnisse möglich, zum Beispiel:
– der Mitarbeiter macht nur ein Projekt, das andere wird wieder abgegeben.
– der Mitarbeiter macht weiter beide Projekte, aber die Führungskraft bittet dringend darum, die Arbeitszeiten einzuhalten auch auf die Gefahr hin, dass sich das Projekt nach hinten verschiebt – beide vereinbaren wöchentliche Jour-Fixe-Termine zur weiteren Prioritätenplanung.

Natürlich sind auch weitere Lösungsmöglichkeiten denkbar. Im Passungsgespräch kann nicht jeder Wunsch des Mitarbeiters erfüllt werden. Es geht vielmehr darum, dass die Führungskraft die „Nichtpassung“ des Mitarbeiters versteht, ernst nimmt und nicht beschwichtigt. Es geht darum Lösungen im Rahmen der Möglichkeiten zu finden, damit Passung wieder entstehen kann und die Leistung nicht zu Lasten der anderen Lebensfelder geht und somit zum chronischen Stress führen kann.

Birgit Huber-Metz

Das Institut „Balance fürs Leben“ bietet Führungsseminare zum Thema Gesundes Führen, Ausbildungen zum systemischen Gesundheitscoach und Burnout-Präventionscoaching für Manager an. Zur Autorin: Birgit Huber-Metz ist einer der beiden Geschäftsführerinnen des Instituts „Balance fürs Leben“, Klostergut Besselich in Urbar.

Kontakt:
Balance fürs Leben
Christine Weisrock
Klostergut Besselich
56182 Urbar
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