Die Telekom beabsichtigt, den heimischen Internetanschluss für Vielsurfer einzuschränken.
Was bisher nur aus dem Mobilfunk bekannt war, soll nach Plänen der Telekom zukünftig auch für den heimischen Internetanschluss gelten: Wer zu viel surft, wird rigoros ausgebremst und kann für den Rest des Monats das Internet nur noch im Schneckentempo nutzen. Wir beantworten die dringendsten Fragen zum Thema.

Was ist mit einer Drosselung gemeint und wie wirkt sie sich aus?

 

Bei einer Drosselung schränkt Ihr Provider die Bandbreite Ihres Internetanschlusses durch einen technischen Eingriff ein. Das heißt, die Daten werden dann nur noch mit einem Bruchteil der im jeweiligen Tarif möglichen Höchstgeschwindigkeit – zum Beispiel bis zu 16 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) übertragen. Die Folge: Beim Aufruf von Internetseiten und beim Abrufen von E-Mails verlängern sich die Wartezeiten. Je nachdem wie drastisch die Drosselung ausfällt, sind darüber hinaus einzelne Dienste, wie das Anschauen von Internetvideos oder das Hören von Internetradio, nicht mehr möglich.

Was hat die Telekom genau vor?

Die Telekom hat mit Meldung vom 22. April 2013 angekündigt, dass sie ab dem 2. Mai in Festnetz-Internetverträge (Call&Surf, Entertain) Regelungen aufnehmen wird, nach denen die Internetbandbreite ab Verbrauch eines festgelegten Datenvolumens für den Rest des Monats auf 384 Kilobit pro Sekunde (kbit/s) reduziert wird. Bei Verträgen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 16.000 Kilobit pro Sekunde soll die Drosselung beispielsweise nach der Übertragung eines Datenvolumens von 75 Gigabyte (GB) erfolgen. Bei Tarifen mit höheren Bandbreiten soll entsprechend mehr Inklusiv-Volumen zur Verfügung stehen.

Gibt es Ausnahmen?

Ja, die Telekom hat angekündigt, dass unter anderem die Nutzung des eigenen Dienstes Entertain nicht auf das im Tarif enthaltene Volumen angerechnet wird. Gleiches soll für die Sprachtelefonie über den Telekom-Anschluss gelten.

Wann sind 75 Gigabyte im Monat zu wenig?

Ein monatliches Datenvolumen von 75 Gigabyte ist nicht viel, wenn man die neuen Dienste und Möglichkeiten des Internets nutzen möchte. Dies gilt angesichts immer datenintensiverer Dienste bereits heute, insbesondere aber mit Blick in die Zukunft. Wer regelmäßig Internetvideos in HD-Qualität ansieht, Musik oder Radio über das Internet hört, häufig online spielt oder seine Datensicherung über einen Clouddienst erledigt, läuft Gefahr, auf das Tempo 384 Kilobit pro Sekunde gedrosselt zu werden. Besonders gefährdet sind Familien mit Kindern und Haushalte mit mehreren Personen, da sich hier das genutzte Datenvolumen aller Nutzer addiert. Allein Verbraucher, die das Internet hauptsächlich zum Aufrufen von Internetseiten sowie zum Abrufen von E-Mails nutzen, werden ein Datenvolumen von 75 Gigabyte im Monat wohl kaum überschreiten.

Sind ab Mai alle Telekom-Kunden von der Drosselung betroffen?

Nein, die Telekom selbst hat angekündigt, dass ausschließlich nach dem 2. Mai 2013 abgeschlossene Verträge unter die neue Regelung fallen sollen und die Drosselung voraussichtlich auch erst im Jahr 2016 technisch umgesetzt wird. Bereits laufende Verträge können nicht ohne Einverständnis des Kunden geändert und mit einer Drosselung versehen werden. Sollte die Telekom die Drosselung zukünftig auch auf Bestandskunden anwenden wollen, müsste sie daher die Zustimmung jedes einzelnen Kunden einholen oder den Vertrag zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit kündigen.

Was gilt für Kunden anderer Anbieter?

Für Verbraucher, die Kunde eines Konkurrenten der Telekom sind, gilt das oben gesagte entsprechend. Wenn sich der Anbieter nicht bereits bei Vertragsschluss eine Drosselung der Bandbreite vorbehalten hat, kann er diese ohne Einverständnis des Kunden auch nicht nachträglich einführen. Ob andere Anbieter zukünftig gleichziehen und ihre Neuverträge mit entsprechenden Drosselungsvorbehalten ausstatten, bleibt abzuwarten. Denkbar sind zwei Szenarien: Die Konkurrenten der Telekom verzichten auf derartige Klauseln und nutzen den Wettbewerbsvorteil, um neue Kunden zu gewinnen, oder sie ziehen mit, um die Einnahmen aus bestehenden Verträgen zu erhöhen.

Woran erkenne ich, ob mein Vertrag eine Drosselung erlaubt?

Bisher sind nur wenige Fälle bekannt geworden, in denen sich Anbieter eine Drosselung der Bandbreite vorbehalten. Neben der Telekom sind dies 1&1 und Kabel Deutschland. Ob Ihr Tarif eine derartige Einschränkung beinhaltet, können Sie dem Vertragstext entnehmen, insbesondere der so genannten Leistungsbeschreibung.

Was kritisiert die Verbraucherzentrale?

Wir kritisieren das Vorhaben der Telekom aus verschiedenen Gründen: Der Internetanschluss gehört mittlerweile zur Lebensgrundlage. Der diskriminierungsfreie Zugang zu allen Diensten und Inhalten des Internets muss für jedermann gleichermaßen garantiert sein. Eine Drosselung auf das Schneckentempo von 384 Kilobit pro Sekunde führt dazu, dass eine Nutzung des Internets nur noch demjenigen möglich ist, der es sich leisten kann, weiteres Datenvolumen hinzuzubuchen. Ein Teil der Verbraucher wird dabei ausgegrenzt und eine digitale Zwei-Klassen-Gesellschaft befördert. Darüber hinaus bedrohen die Pläne der Telekom das Prinzip der so genannten Netzneutralität – und das halten wir für nicht hinnehmbar. Netzneutralität bezeichnet den ungehinderten, gleichberechtigten Zugang zu allen Diensten und Inhalten im Internet: Datenpakete sollen durch die Internetanbieter neutral übertragen werden, ohne einzelne Dienste oder Inhalte zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Das ist aber nicht der Fall, wenn eigene Dienste oder Partnerangebote bevorzugt behandelt und so Angebote von Wettbewerbern diskriminiert werden. Die Verbraucherzentralen fordert seit langem, die Netzneutralität gesetzlich fest zu schreiben. Wenn die EU-Kommission in dieser Sache nicht handelt, ist die Bundesregierung gefordert.

Was rät die Verbraucherzentrale?

Für Verbraucher, die sich in einem laufenden Vertragsverhältnis ohne Drossel-Vorbehalt befinden, besteht kein akuter Handlungsbedarf, da ein Anbieter die Drossel nicht willkürlich einführen kann. Achten Sie bei zukünftigen Vertragsänderungen oder -verlängerungen jedoch genau darauf, ob ein Drossel-Vorbehalt enthalten ist und wählen Sie gegebenenfalls einen anderen Anbieter mit besserem Angebot. Wer sich auf die Suche nach einem neuen Anbieter macht, dem wird zukünftig nichts anderes übrig bleiben, als die Angebote noch genauer zu vergleichen, auf Regelungen zu einer Drosselung zu achten und besser Angebote ohne Drosselung zu wählen.

 

Beteiligen Sie sich an der Messkampagne der Bundesnetzagentur zur Netzneutralität. Die untersucht, ob der Datenverkehr bei Rechner-zu-Rechner- (auch Peer-to-Peer-) Anwendungen gedrosselt wird und ob es Unterschiede zwischen Anbietern oder verschiedenen Technologien gibt. Für ihre Untersuchung ist die Bundesnetzagentur auf die Hilfe der Internetnutzer angewiesen.

Was unternimmt die Verbraucherzentrale?

Wir werden Angebote und Vertragswerke der Anbieter überprüfen und gegen unlautere Geschäftspraktiken und unzulässige Vertragsregelungen vorgehen. Zudem setzen wir uns für einen Erhalt der Netzneutralität ein, damit auch zukünftig ein diskriminierungsfreier Zugang zu allen Diensten und Inhalten des Internets garantiert ist.

Quelle:VBZ Hamburg