Steuervergünstigung bei verbilligtem Wohnraum ab 66 %

Ungekürzter Werbungskostenabzug zugelassen – bei Verlusten keine Überschussprognose nötig

Steuervergünstigung bei verbilligtem Wohnraum ab 66 %

Dipl.-Finw. Bettina M. Rau-Franz

Essen, den 26. Juli 2012*******Der Beginn der Steuervergünstigung bei verbilligter Überlassung von Wohnraum ist auf 66 Prozent angehoben worden. Dazu wurde in § 21 Abs.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Satz eingefügt: „Beträgt das Entgelt bei auf Dauer angelegter Wohnungsvermietung mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete, gilt die Wohnungsvermietung als entgeltlich.“ Dipl.-Finw. Bettina M. Rau-Franz, Steuerberaterin und Partnerin in der Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei Roland Franz & Partner in Essen, weist darauf hin, dass nach dem Gesetz nun gilt, dass eine generelle Aufteilung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil entsprechend des prozentualen Verhältnisses vorzunehmen ist, wenn die verbilligte Vermietung von Wohnraum weniger als 66 Prozent der ortsüblichen Miete beträgt. Es erfolgt keine Prüfung der Einkunftserzielungsabsicht über eine Totalüberschussprognose. Bei mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete wird die Vollentgeltlichkeit angenommen und ein ungekürzter Werbungskostenabzug zugelassen. Bei Verlusten muss keine Überschussprognose erstellt werden. Das Steuervereinfachungsgesetz 2011 ist in diesem Punkt ab dem 1. Januar 2012 anzuwenden.

Die durch das Wohnungseigentumsförderungsgesetz vom 15. Mai 1986 in § 21 Abs. 2 EStG eingefügte Sonderregelung, wonach die verbilligte Wohnraumüberlassung bei Beziehung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zum vollen Werbungskostenabzug berechtigt, wenn das Entgelt mindestens 50% der ortsüblichen Miete beträgt, wurde ab 2004 bereits auf 56 Prozent angehoben. Lag sie darunter, so ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen.

„§ 21 Abs. 2 EStG ist, entgegen dem ersten Anschein, keine einfache Vorschrift. Sie warf in der Fassung bis einschließlich 31. Dezember 2011 einige Rätsel auf und hat die Rechtsprechung immer wieder beschäftigt. Denn nach der Systematik des Einkommensteuerrechts können Einkünfte grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn der Steuerpflichtige – hier der Vermieter – mit Überschusserzielungsabsicht handelt. Tätigkeiten, die objektiv nicht geeignet sind, Überschüsse zu erwirtschaften, bezeichnet die Rechtsprechung als „Liebhaberei“. Sie ist einkommensteuerrechtlich unbeachtlich, d. h. die erwirtschafteten Verluste können nicht mit den positiven Ergebnissen aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Und gerade die sogenannte „Gunstmiete“, also die verbilligte Vermietung an Angehörige, führt häufig zu dauerhaften Verlusten. Der Wunsch, einem Angehörigen verbilligt eine Wohnung zu überlassen, ist ein probates Motiv, das den Liebhabereiverdacht geradezu nahe legt. In allen Liebhabereifällen würde somit die Vergünstigung des § 21 Abs. 2 leerlaufen, weil gar keine steuerbaren Einkünfte vorliegen“, erklärt Dipl.-Finw. Bettina M. Rau-Franz.

Der Bundesfinanzhof hat deshalb – in freier und nicht unwidersprochen gebliebener Rechtsfindung – das für verbilligte Vermietung geltende Aufteilungsverbot in § 21 Abs. 2 EStG dahingehend ausgelegt, dass eine Einkunftserzielungsabsicht immer dann anzunehmen ist, wenn die Miete mindestens 75 Prozent der ortsüblichen Miete beträgt. Eine Überschussprognose, d. h. eine Liebhabereiprüfung, sei nur anzustellen, wenn die Miete zwischen 56 Prozent und 75 Prozent der ortsüblichen Miete liegt.

Nach dem erklärten Willen der Bundesregierung soll durch die vorgenommene Änderung im Steuervereinfachungsgesetz 2011 die Vorschrift einfacher werden, denn in der Begründung zu dem Gesetzesentwurf heißt es, dass mit der Änderung die bislang erforderliche Prüfung der zweiten (von der Rechtsprechung erfundenen) Prozentgrenze entfalle, also bei Erreichen der 66 Prozent-Grenze der ortsüblichen Miete keine Totalüberschussprognose mehr vorzunehmen ist. Dies führt dazu, dass stets ein ungekürzter Werbungskostenabzug zuzulassen ist. Dies ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber mit Erreichen der 66 Prozent-Grenze die Vollentgeltlichkeit fingiert.

Wenn die Miete mindestens 66 Prozent der üblichen Miete ausmacht, ist also die Totalüberschussprognose entfallen. Auch in den Fällen, in denen wegen kompletter Fremdfinanzierung und/oder hohen Erhaltungsaufwendungen die Totalüberschussprognose
klar negativ ist, ist zukünftig ein Ausgleich des Verlustes aus der Vermietung mit anderen positiven Einkünften möglich.

Der Gesetzgeber hat in der Bandbreite von 66 Prozent bis 75 Prozent Vermietungsfälle ohne positive Überschussbewertung gegenüber der bisherigen Rechtslage besser gestellt und den Charakter der Vorschrift als Steuervergünstigung zementiert.

„Die Zukunft wird zeigen, wie sich die Rechtsprechung entwickeln wird, denn – wie schon die bisherige Vorschrift – legt auch der neue § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht fest, dass eine Einkunftserzielungsabsicht entbehrlich ist. Vielmehr ist der Anwendung des § 21 Abs. 2 EStG die Frage vorgelagert, ob der Steuerpflichtige überhaupt (positive) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Fingiert der Gesetzgeber nunmehr die Vollentgeltlichkeit und lässt die Aufteilung nicht mehr zu, so muss nach der Systematik des Gesetzes der Vermietungstätigkeit die Einkunftserzielungsabsicht zugrunde liegen, anderenfalls sind die Einkünfte nicht steuerbar, d. h. die Einnahmen werden nicht versteuert, die Werbungskosten können nicht abgezogen werden“, erklärt Steuerberaterin Bettina M. Rau-Franz und weist darauf hin, dass die Rechtsprechung nach der neuen Vollentgeltlichkeitsfiktion auf die Idee kommen könnte, nunmehr auch die Regelung in § 2 Abs. 1 ernst zu nehmen, also eine Totalüberschussprognose anzustellen. Dies würde zwar nicht der Intention des Gesetzgebers, wohl aber der objektiven Gesetzeslage entsprechen. In den Fällen der fingierten vollentgeltlichen Vermietung „zu 66 Prozent“, in denen eine Totalüberschussprognose eindeutig negativ ist, wären steuerbare Einkünfte zu verneinen, was die neue Regelung dann bei dauerhaften Werbungskostenüberschüssen ins Leere laufen ließe.

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